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Venedig, Sommer, Licht und Leben am Redentorefest (2007)

 

Venezia, San Giorgio Maggiore

Venezia: Venedig,San Giorgio Maggiore

 

Liebe Venedig-Freunde

Freitag, 13. Juli (!)

Zum dreizehnten Aufenthalt in Venedig lockte uns das Redentorefest, das jedes Jahr am dritten Wochenende des Monats Juli stattfindet. Licht, Sonne, Feuerwerk, Lebensfreude, Feiern, Geniessen, Bummeln und vor allem Fotografieren waren angesagt. Im Gepäck befand sich hauptsächlich Fotoausrüstung, Kamera, Gebrauchsanleitungen, Filmkamera, Batterieaufladegerät, Stativ, Reservebatterien. Dem Wetterbericht trauend packten wir weder Schirm noch Regenmantel ein (an dieser Stelle herzlichen Dank dem Wetterfrosch, der Himmel war klar, die Sonne schien senkrecht auf unsere Köpfe, genau so hatte er es vorhergesagt, Menschen und Tiere suchten den Schatten).

Die Reisebillette, die Michael nach langem Studium der angenehmsten Fahrzeiten am Computer ausgedruckt hatte, nicht vergessen!

Die Stationen

Flüelen ab 08.16 Uhr

Bellinzona ab 10.00

Milano Centrale ab 11.55 Uhr

Venezia S.Lucia an 14.30 Uhr

Ab und zu lasen wir, immer wieder einen lohnenden Blick nach draussen werfend. Das Gotthardmassiv huschte am Zugfenster vorbei, beeindruckend, wild und herrlich, rauschende Wasserfälle, dunkle Tunnel, die berühmte Kirche von Wassen, und wieder lesen.

Michael vertiefte sich in die Lektüre der Beschreibung der Teile, Einstellungen und Funktionen seiner Kamera (man hat eben nie ausgelernt). Plötzlich fragte er mich:

Hast du auch eine grosse Darstellungsfläche?

... einen hohen Kontrast?

... ein schlankes und flaches Design?

Wie ist dein Blickwinkel? Der horizontale? Der vertikale?

Überzeugst du auch im repräsentativen Einsatz?

Bist du hell?

Wie schnell ist deine Reaktionszeit?

Hast du einen Lautsprecher?

Hast du eine maximale Auflösung?

Kann man dich auch im Front Panel einstellen?

Hast du auch ein Netto-Gewicht von 1,5 kg?

...ein internes Netzteil?

Wie ist dein Stromverbrauch?

Ist deine Garantie schon abgelaufen?

Wer mich kennt kann sich etwa vorstellen, wie meine Antworten dazu lauteten! Ich kann euch sagen, noch nie hat jemand bei einer Gebrauchsanweisung so gelacht wie wir.

Der Bahnhof in Venedig schien uns fast menschenleer, hatten wir doch noch den Ameisenhaufen-Eindruck des letzten Aufenthaltes (Carnevale 2007) vor Augen. Eigenartigerweise bildete sich aber im Nu eine endlose Schlange von wartenden Menschen vor der Billettausgabe. Aha!!! Scioppero! Streik der öffentlichen Verkehrsmittel! Na bravo! Und das in der sengenden Hitze!

 

Venezia, Canal Grande

Venezia: Canal Grande

 

Aus der Not kann man eine Tugend machen, heisst es so schön. Deswegen leisteten wir uns diesmal ein Wassertaxi. War das ein aufregend schöner Einstieg in die Stadt, per Taxi durch den Canal Grande, kein Vaporetto in Sicht, ungestört fahrende Gondeln, mit der venezianischen Fahne schön geschmückte Palazzi, in denen Kunstausstellungen aus aller Welt vom 10. Juni bis zum 21. November 2007 zu besichtigen sind; ganz Venedig scheint ein Kunstmuseum zu sein, Plakate werben für die 52. Biennale, der Veranstaltung, an der rund 100 Künstler in 77 Länderpräsentationen teilnehmen.

Ziel: Hotel Savoia & Jolanda, Riva degli Schiavoni 4187, 30122 Venezia

 

Venise, Hotel Savoia & Jolanda

Hotel Savoia & Jolanda

 

Hier residierten wir schon einmal. Ein nettes Mail, eine nette Antwort und dasselbe Zimmer (renoviert) mit demselben Balkon, der es uns so angetan hatte, waren für uns reserviert. Ein idealer Ort um das Redentorefest und eine unbezahlbare Aussicht über das Becken von San Marco, auf die Kirche San Giorgio Maggiore und auf die Insel Giudecca zu geniessen, Platz genug, um die Stative mit den Kameras aufzustellen, ohne im Menschengewühl zu stecken und doch mittendrin im Geschehen sein.

 

Venice, Riva degli Schiavoni,Vittorio Emmanuele II

Riva degli Schiavoni, Vittorio Emmanuele II

 

Riva degli Schiavoni! Panoramaweg zwischen Markusbecken und Biennale-Giardini. Das Reiterstandbild (Bronze, 1885) von Ettore Ferrari zu Ehren von Vittorio Emmanuele II, der 1861 der 1. König des neu vereinten italienischen Staates wurde, grüsste uns mit erhobenem Schwert und wehendem Umhang.

Es promenierten an diesem Freitag keine Carnevale-Masken sondern leicht bekleidete Touristen (ausgenommen die verhüllten Araberinnen, die mit gebührendem Abstand hinter ihren Ehemännern hergingen - was denken die wohl beim Anblick der vielen wogenden braunen Busen hinter dünnen Stofffetzchen mit Spaghettiträgern?), viele Damen mit Sonnenschirmen aus Spitzenstoff, wie sie bei den Souvenirbuden verkauft werden (nebst Masken, Strohhüten, Krimskrams und Kalender). Aufgepasst: Die Riva degli Schiavoni hat nichts mit dem Standard-Tänzer Augusto Schiavo zu tun (eine kleine Zwischenbemerkung für die Freunde der Tanzszene), vielmehr erinnert ihr Name an die dalmatinischen Kaufleute (Dalmatien/Schiavonia), die einst hier ihre Schiffe festmachten. Die Riva, ein über 500 m langer Kai, der um 1780 von Tommaso Temanza verbreitert und mit istrischem Stein gepflastert wurde, ist eine der beliebtesten Promenaden in Venedig und ein nobler Spazierweg.

Im Grand Hotel Danieli (14. Jahrhundert, früher Palazzo Dandolo, gehört heute einer grossen italienischen Hotelkette) neben unserem Savoia & Jolanda gingen einst berühmte Leute ein und aus: Könige, Prinzen, Politiker und Schriftsteller, Charles Dickens, Richard Wagner, Honoré de Balzac, Marcel Proust, Claude Debussy, Jean Cocteau sowie George Sand und Alfred de Musset. Auch die wussten die schöne Aussicht von der Riva zu geniessen. Hier konnte man sehen und gesehen werden!

 

Venedig, Ozeanriese

Ozeanriese

 

Damals verdeckten sicher keine Ozeanriesen die Sicht aufs Gegenüber! Plötzlich sahen wir vom Balkon aus nämlich nur noch eine grosse weisse Fläche, unzählige Terrassen, winzige, auf Venedig runter blickende Menschlein an der Reling, die kein Ende nahm. Sichtbar war für uns nur noch die oberste Spitze vom Campanile, obwohl die viel höher hinauf ragt als die stolze grosse Kuppel der Kirche. Und später rauschte die ARCADIA vorbei, da sah man von der Insel San Giorgio Maggiore, von wo aus früher der ganze Schiffsverkehr zwischen der Lagune und den Kanälen kontrolliert wurde, rein gar nichts mehr!

 

Venezia, Ozenariese

Ozenariese

 

Venezia, ARCADIA

ARCADIA

 

Ihr seht, wir steckten also schon mittendrin im Geschehen, beobachteten alles wie im Kino, nur war unsere Leinwand so gross wie die Wirklichkeit und alles spielte sich in Echtzeit ab.

 

Venedig, Wirklichkeit oder Spiegelbild

Wirklichkeit oder Spiegelbild

 

Nebst anderem mussten einige Liter Wasser besorgt werden, was mit einem Bummel durch Gassen und Gässchen verbunden wurde, treppauf-treppab über viele Brücklein mit grellen Schattenspielen. So, wir waren gerüstet für Michaels Fotografierkurs und für das Ausprobieren von diversen Kameraeinstellungen. Schliesslich waren wir nicht zum Faulenzen gekommen! Nach Stunden brummte mein Schädel vor lauter Fachausdrücken und neuen, noch unverdauten und ungefestigten Erkenntnissen.

 

Venezia, Chiesa La Salute

Chiesa La Salute von der Terrasse aus

 

Samstag, 14. Juli

Der ganze Tag eine Nervenprobe! Alles fieberte dem weltberühmten Feuerwerk entgegen! Im Bacino San Marco entdeckten wir Plattformen. Die einen waren Raketenabschussrampen, die anderen trugen die Kranen mit den daran aufgehängten Riesenlautsprechern. Das Feuerwerk sollte nämlich, zum ersten Mal in Venedig, musikalisch untermalt werden. Bruchstücke von Songs ertönten jaulend, rissen wieder ab, ertönten wiederum weiter weg als Antwort, alle Lautsprecher mussten aufeinander abgestimmt werden. Oh je, das hatten wir uns aber nicht so vorgestellt. Die Schallwellen würden uns glatt vom Balkon fegen! Zum Glück hatten wir genug Ohropax dabei, so konnten wir damit rechnen, das Ganze einigermassen heil zu überstehen. Die Touristenzahl auf der Riva nahm stetig zu...

Den Morgen verbrachten wir in unseren geliebten Gassen und Gässlein, suchten Licht und vor allem Schatten.

 

Venedig, Licht und Schatten

Licht und Schatten

 

Venedig, Licht und Schatten

Licht und Schatten

 

Venedig, Licht und Schatten

Licht und Schatten

 

Venedig im Sommer! Viele Venezianer schmücken ihre Balkone mit farbspendenden Blumen.

 

Venise, Venedig, Venice, Venezia

Balkon

 

Venise, Venedig, Venice, Venezia

Balkon

 

Venice, Scuola Grande di San Marco

Im Hintergrund Scuola Grande di San Marco

 

Venise, Venedig, Venice, Venezia

Grell

 

Die Lichtverhältnisse zeigten sich zum Fotografieren ungünstig. Knalligere, grellere Licht-Schatten-Kontraste konnte man nicht finden als an diesen heissen Tagen.

 

Venise, Venedig, Venice, Venezia

Grell

 

Wir suchten schöne Schattenspiele, verträumte Fenster, Details, Spiegelungen, Brückengeländer und gelangten so zum Campo vor der Kirche Dei Santi Giovanni e Paolo (auf Venezianisch: Campo San Zanipolo). Der Platz befindet sich im Sestiere Castello, dem grössten Stadtviertel (Stadtsechstel wäre für Venedig richtiger).

 

Venise, Venedig, Venice, Venezia

Grell

 

Der Campo hiess früher Campo delle Meravege (Platz der Wunder). Im Dumont Reiseführer entdeckte ich die Herkunft des Namens:

"Des Dogen Traum

Der Legende nach hatte Jacopo Tiepolo, der 43. Doge Venedigs (1229-49), eines Nachts diesen Traum: Herrliche Blumen bedeckten das Sumpfgebiet, den späteren Campo Santi Giovanni e Paolo, und weisse Tauben mit goldenen Kreuzen auf der Stirn flogen darüber. Eine Stimme sprach zu ihm: "Dies ist der Ort, den ich für meine Dominikaner erwählt habe!" Nachdem er dem Senat von seiner göttlichen Eingebung berichtet hatte, erhielten die Mönche sofort die Genehmigung zum Bau eines Klosters an dieser Stelle. Sie hatten sich schon vor einem Jahrzehnt in Venedig niedergelassen, lebten aber noch immer provisorisch in Zelten unter der Säulenhalle von San Martino. Die nun erbaute Klosterkirche wurde, vielleicht auf Bitten des Dogen selbst, den Märyrerbrüdern Johannes und Paulus geweiht, die im 4. Jh. in Rom hingerichtet worden waren und als Schutzheilige gegen die Pest galten."

 

Venezia, Condottiere Bartolomeo Colleoni

Condottiere Bartolomeo Colleoni

 

Unter den Augen des berühmten Feldherrn und Söldnerführers Condottiere Bartolomeo Colleoni, sein Reiterstandbild (Denkmal von Verrocchio) thront über dem Platz, kann man die auffallende, von Pietro Lombardi geplante Fassade der Scuola Grande di San Marco bewundern. Berühmt ist sie wegen der grossen Reliefs aus illusionistischen polychromen Marmorinkrustationen, die den Eindruck geöffneter, in die Tiefe fluchtender Hallen erweckt. Heute gehen keine Pilger ein und aus, sondern Spitalbesucher, vorbei an einer selig schlafenden Katze und an einem imposanten steinernen Löwen. Seit 1815 wird die Scuola als städtisches Krankenhaus genutzt.

 

Venise, Scuola Grande di San Marco

Scuola Grande di San Marco

 

Das Portal der Kirche Zanipolo, des grössten und bedeutendsten Sakralbaus der venezianischen Gotik des 14. und 15. Jahrhunderts, ist mit byzantinischen Reliefs geschmückt. Hier sind wir im Pantheon von Venedig. Im Inneren der Kirche befinden sich nämlich 25 Grabmäler von Dogen der "Repubblica Serenissima", Feldherren und Adelsfamilien.

 

Venice, Scuola Grande di San Marco

Scuola Grande di San Marco

 

Im Sestiere Castello wären noch weitere Sehenswürdigkeiten:

 

Venezia, Campo S.S.Giovanni e Paolo

Campo Santi Giovanni e Paolo

 

- der volkstümliche Wohnbereich der "arsenalotti", den Handwerkern des Arsenals, die im Schiffbau und damit an der Seemacht von Venedig arbeiteten

- der Campo Santa Maria Formosa mit seinem charakteristischen, volkstümlichen Markt

- die Kirche San Lorenzo, in der Marco Polo, der berühmteste venezianische Händler und Forscher, der Legende nach beerdigt sein soll

- die Kirche San Zaccaria mit den wunderbaren Bildern "Madonna in tronco col Bambino" und "Santi" von Giovanni Bellini

- das Museo Storico Navale (Schifffahrtsmuseum), das im Jahre 1815 von den Österreichern eingerichtet wurde und wo zwischen Bootsmodellen der antiken Republik auch das massstabgerechte Modell des Bucintoro zu bewundern sind. Mit diesem Prunkschiff, das vollständig mit Gold verkleidet ist, feierte der Doge am Tag der "Sensa" (Himmelfahrtstag) die Hochzeit Venedigs mit dem Meer.

- die Biennale

 

Venise, Venedig, Venice, Venezia

Venezia

 

Träume, Licht und Schatten, Visionen, Tod und Leben, Schneestürme und sengende Sonne, Feier- und Arbeitstage, Wasser und Stein, Heiliges und Profanes, Krieg und Frieden, Betriebsamkeit und Stille, Holz und Marmor, das sind die Bausteine von Venedig, der Stadt der tausend Gesichter, der Stadt, die süchtig macht, so dass man sie immer wieder von Neuem entdecken muss/will. Künstler holen sich hier neue geistige Nahrung, so auch an der Biennale.

1893 beschloss der Stadtrat von Venedig, im zweijährigen Rhythmus eine Ausstellung der italienischen Kunst (Esposizione biennale artistica nazionale) ins Leben zu rufen.

1895 hiess die 1. Internationale Kunstausstellung der Stadt Venedig "1 Esposizione Internazionale d'Arte della Città di Venezia". Sie wurde in Anwesenheit des italienischen Königspaares Umberto I. und Margherita di Savoia eröffnet.

Der grosse Erfolg führte dazu, dass die Ausstellung zur Weltausstellung wurde.

Der Kurator der diesjährigen 52. Biennale, Robert Storr, erklärt in blumigen Worten

"Diese Ausstellung basiert nicht auf einem alles einschliessenden ideologischen oder theoretischen Ansatz. Sie beruht vielmehr auf einer grundlegenden Herangehensweise an die Kunst, die davon ausgeht, dass analytische Dichotomien zwischen dem Perzeptiven und dem Konzeptuellen, dem Denken und dem Fühlen, Genuss und Leid, Intuition und kritischem Sinn die komplexe Präsenz all dieser Aspekte in der von uns erfahrenen Welt wie auch die Anwesenheit all dieser Dimensionen in der daraus entstehenden Kunst zu oft verdunkeln und negieren."

Besser gefiel mit das knallig gelb-rote Plakat mit den kurzen aber eindrücklichen und für alle verständlichen Worten:

 

Venezia, pensa con i sensi

Pensa con i sensi

 

Pensa con i sensi / senti con la mente

Denke mit den Sinnen / fühle mit dem Verstand

Daneben weckte ein anderes Plakat meine Aufmerksamkeit

 

Venezia, Loris Marazzi, Scultore

Loris Marazzi, Scultore

 

Loris Marazzi, Scultore

Gleich um die Ecke fanden wir zufällig sein Atelier mit Schaufenster.

Marazzi befasst sich mit ganz alltäglichen Dingen: Wäscheleine, Regenmantel, Schirm, Schuhe, Tisch mit verrutschtem Tischtuch, aufgeschlagenes Buch, alles wird in Holz geschnitzt. Auch für die Nase beeindruckend: Streckt man kurz die Nase in den Eingang, so atmet man tief und gründlich den Duft des Zirbelkieferholzes, das Marazzi mit Vorliebe verarbeitet, denn es ist weich, lässt sich in allen Richtungen verarbeiten, ist resistent gegen Feuchtigkeit und Insektenbefall und gefällt wegen seiner gelb-rosa schimmernden Farbe, erklärt er auf seiner Homepage. Venedig bezieht grosse Mengen von diesem Holz in den Dolomiten, vor allem von den auf über 2000 Meter liegenden Bergwäldern bei Cortina.

Einmal mehr erlebten wir intensiv die Verschmelzung von Realität und Illusion dieser Stadt, die so viele Menschen süchtig macht.

 

Venise, Venedig, Venice, Venezia

Venezia

 

VENEZIA CITTA DELL'AMORE (Gianni Scarpa)

Mamma grida il bambino,

al rumore di ungran temporal,

e con le lacrime agli occhi,

cerca di spiegar

che ha visto Venezia nel mare sprofondar

e con i monumenti i colombi annegar.

 

Venise, Venedig, Venice, Venezia

Venezia

 

Venezia,

città mistero dell'amor,

con ponti e calli unisci

la gioia di ogni cuor,

dal vecchio al bambino tutti fai sognar,

seduti su una gondola,

girando in Gran Canal,

sei sempre nei ricordi o regina di ogni amar,

di tutta quella gente che hai fatto innamorar

 

Venise, Venedig, Venice, Venezia

Venezia

 

La mamma lo rassicura,

sentendolo tremar lo stringe forte al suo petto,

cercando di spiegar,

che è un brutto sogno

e che Venezia è ancora là

e che la sua laguna,

il mondo fa sognar.

 

Venise, Venedig, Venice, Venezia

Venezia

 

Venezia,

signora romantica sei tu,

la città più bella,

che Dio ha fatto da lassù,

se non ci sei mai stato

tu non lo puoi capir,

angosce e paure lei ti farà sparir,

dal profondo della storia

al mondo insegna già,

parlandoti d'amore gioia e sincerità.

 

Venise, Venedig, Venice, Venezia

Venezia

 

Venezia,

tu tutto il mondo unisci qua

gente di ogni nazionie,

ti viene a visitar,

se alzi gli occhi al cielo

una stella brillerà,

esprimi un desiderio

vedrai s'avvererà,

sognando intensamente una canzone sentirai,

e al ritmo di un bel tango ballerai

 

Auch die ausgestellten Masken und Umhänge träumten im gleissenden Sonnenlicht, in den Schaufenstern still und leise vor sich hin dösend, sie träumten von Leben und Bewegung, von Fotografenblitzlichtern, kurz, vom bunten Carnevale-Treiben.

 

Venise, Venedig, Venice, Venezia

O sole mio!

 

Fleissige Frauenhände waren mit Pinsel und Farbe beschäftigt, hinter Ladentischen und in kleinen Ateliers. Masken wurden ausgebessert, neue angefertigt. Venedig kommt eben keinen einzigen Tag des Jahrs ohne Carnevale aus. Auch im Sommer kaufen Touristen Masken, so haben sie später die Illusion, etwas vom Carnevale eingefangen zu haben.

 

Venedig, Carnevale

Warten auf den Carnevale

 

Es locken Tiermasken (vor allem ein Kater hatte es mir angetan!), elegante, fantasievolle, traditionelle und ausgeflippte Masken, solche aus Papier, aus Leder oder aus Filigranmetall, mit und ohne Strasssteinen, mit und ohne Malereien. Umhänge in diversen Farben warteten auf Käufer, seidene oder wollene, teure oder billige. Lange überlegte Michael, ob und wie er sich für den nächsten Carnevale maskieren möchte. Wollte er als Frau auftreten? Als vornehmer Herr? Bunt? Eher elegant einfarbig? Im Inneren kämpfte seine Fotografennatur gegen die des Carnevale-Darstellers. So besuchten wir einen Laden nach dem anderen, bei den einen gingen wir rein, bei den anderen liefen wir dran vorbei, je nach Geschmacks-Richtung des Ausstellers. Neue Frage: Wie transportiert man so etwas nach Hause? Die Koffer sind jetzt schon randvoll. Ich machte mich schlau und untersuchte Form und Schnitt der Umhänge, um eventuell zuhause an die Nähmaschine zu sitzen und nach Michaels Gusto etwas zu kreieren. Dann gab es zu überdenken: Wohnung oder Hotel? Egal, es musste, wollte man kostümiert zur Piazza San Marco marschieren, im Zentrum sein. Wir kamen zum Schluss, dass es unverhältnismässig viel Gepäck braucht (wesentlich mehr als Turniertänzer mitschleppen). Und nur grad für einen Tag? Oder: Wollte man einen Blitzentscheid treffen und am Carnevale selber ein Kostüm mit allem Drum und Dran zu einem hohen Preis mieten? Darauf stellte ich mir vor, wie ich Michael fotografieren würde, an jedem lauschigen Plätzchen von Venedig ein Bild, Hintergrund immer ein anderer, Maske immer dieselbe. Eine Entscheidung zu treffen war nicht leicht. Ich glaube, wir überlassen das Planen, Nähen, Einkaufen, Kostümieren besser unseren Bekannten, den Damen und Herren Francine, Anna, Ugo, Gyslaine, Anne-Sophie, Florine, Monika und Peter, Anne-Louise, Chris und Antonio....Und wer weiss, vielleicht liesse sich Bertilla, die immer atemberaubend daher kommt, an einen Seitenkanal entführen, dort, wo keine Menschenscharen stören? Abwarten und weiter überlegen....

Am Nachmittag war wieder das Redentorefest das Hauptthema. Wir wollten der Lagune und dem Treiben vor dem Hotel und in der Umgebung, die mit dem Feldstecher erreichbar war, den Puls fühlen. Wir wollten beobachten, wie die Menschenmenge im Laufe der Zeit immer dichter wurde. Und dazu stellten wir uns auf den Balkon mit Stativ, Kamera, Geduld und in freudiger Erwartung des weiteren Geschehens.

 

Venezia, veniamo!

Redentore, veniamo!

 

Die Vorbereitungen für den grossen Knall, dem Feuerwerk, waren in vollem Gange. Die Hotels und Restaurants hatten lange Tische und Stuhlreihen auf die Riva aufgestellt und schön dekoriert. Dasselbe auf der Insel Giudecca. Was uns aber am meisten faszinierte waren die Segelschiffe, Motorboote, Jachten, Frachtschiffe, Fischerboote, die vom Lido her brausten, aber auch die, die vom Canal Grande auf die Lagune zusteuerten. An bestimmten Plätzen warfen sie die Anker aus, vertäuten sich miteinander und bildeten Inseln aus Schiffen...

Und plötzlich entdeckten wir zwei Seeräuberschiffe:

 

Venedig, die Seeräuber kommen!

Die Seeräuber kommen!

 

Ab und zu kühlten sich Leute mit einem Sprung in eine noch freie Wasserstelle. Die Polizei kurvte in der Lagune herum, hatte viel zu beaufsichtigen, zu regeln, zu erklären, zu verordnen.

 

Venezia, polizia!

Polizia!

 

Alle Aufmerksamkeit holte sich ein Boot, das mit einer Autokarosserie verkleidet war. Je nach Wellengang drehten sich die Räder! Das nahmen wir natürlich mit dem Feldstecher aufs Korn. Wir beobachteten, wie die Insassen, zwei junge Männer, bei einem grösseren Schiff anhielten. Prosecco wurde ihnen runtergereicht, zum Abschied wurde gewunken und weg fuhr das Auto in Richtung Salute-Kirche.

 

Venedig, huup!

Huuuup!

 

Gegen Abend wurde die für den öffentlichen Verkehr freigehaltene Wasserstrasse immer enger. Bis um ein Uhr Morgens fuhren dann keine Vaporetti mehr.

 

Venezia, tutto a posto!

Tutto a posto

 

Ein stilles Feuerwerk besonderer Art bildete der legendäre Sonnenuntergang von Venedig, der seit Hunderten von Jahren die Maler inspiriert und anspornt. Die Venezianische Schule aus dem 16. Jh. war stets darum bemüht, diese zauberhaften Pastelltöne, zart oder kräftig, süss oder dezent, mit so grosser Echtheit wie möglich darzustellen. Die Kulisse und das spezielle Licht von Venedig dienten als bestes Modell. Diese Schule mit den wohltönenden und weltbekannten Namen (Giorgione, Paolo Veronese und vor allem der Meister von allen: Tizian) wurde richtungsweisend für andere Malschulen in ganz Europa. Per Schiff kamen die erstklassigen Pigmente an, mit denen man erstmals die Farben lasieren konnte, Schicht um Schicht, bis der gewünschte Effekt zu sehen war. Licht wollte man auf die Leinwand bannen, Naturstimmungen, poetische Impressionen und neuartige Farbzusammenstellungen. Damals redete man vom "Magischen Impressionismus". Aber auch ohne viel von Malerei zu verstehen wurden viele Menschen vom Farbenspiel am Himmel verzaubert und magisch berührt.

 

Venedig, Poesie in Pastell

Poesie in Pastell

 

Langsam wurde es am Himmel und im Wasser dunkler, intensiver, dann dumpfer, und dann erlosch das Sonnenlicht, der Himmel wurde wie dunkler Samt, getüpfelt von glitzernden Sternen, angeführt von der strahlenden Venus, die später in der Nacht noch vor Neid erblassen sollte. Die Lichter auf den Schiffen und auch die Lampions, die das ganze Ufer des Bacino umsäumten, glitzerten um die Wette.

 

Venezia, La notte

La notte

 

Die Stimmung der riesigen Badehosensonnenparty veränderte sich. Die traditionellen Essen "Pasta e fagioli" (Bohnensuppe mit Pasta), "Sarde in saor" (frittierte, in Essig und Zwiebel eingelegte Sardinen), Wassermelone und Wein im Überfluss waren nun schon verschmaust, es wurde Musik gehört und getanzt, um sich die Zeit bis zum grossen Moment, eine halbe Stunde vor Mitternacht, zu verkürzen. Ab und zu ertönte aus der Menge die Hymne an San Marco:

 

Canzone Viva Venezia Viva San Marco

 

Venice Venise Venezia Venedig

 

E l'inno di guerra

San Marco miei prodi

il nostro vessillo

vogliamo sul mar

il nostro vessillo

vogliamo sul mar.

 

Venice Venise Venezia Venedig

 

E fra quel silenzio

di tanti canali

si sente la voce

del suo gondolier

che spinge la barca

vogando sul remo

cantando con voce

la mesta canzon.

 

Venice Venise Venezia Venedig

 

Mia cara Venezia

mia patria diletta

tu fosti regina

possente sui mari

tu fosti regina

possente sui mari

e cinta di glorie

speranze d'amor...

 

Venice Venise Venezia Venedig

 

Viva Venezia

viva San Marco

evviva le glorie

del nostro leon

viva le glorie

del nostro leon!

 

Venice Venise Venezia Venedig

 

Wir freuten uns, dass das Licht der Balkone unseres Hotels bereits um elf Uhr erlosch, wie man es mir an der Reception versprochen hatte. Es wäre zum Fotografieren sehr hinderlich gewesen.

 

Venezia, attenzione!

Attenzione!

 

Und dann zerriss eine grelle Lichtrakete und ein lauter Knall die Stimmung. Der Startschuss zum grossen Feuerwerk! Bumm!

 

Venedig, Redentore Feuerwerk

 

Den Musikstücken angepasst (vielen Dank, Michael, dass du genügend Ohropax eingepackt hast!) veränderten sich die gigantischen Bilder am Himmel. Besinnliche Feuerregen, glitzernde Glühpunkte rieselten auf die staunende Menge, Chrysanthemen in diversen Farben erschienen am Himmel, wie mit unsichtbaren Pinseln auf eine schwarze Leinwand hingezaubert, die aus Sicherheitsgründen frei gebliebenen Wasserstrassen färbten sich und spiegelten das atemberaubende Schauspiel am Himmel.

 

Venise, Redentore Feuerwerk

 

Nach jedem Stück wurde lauthals gejubelt und anerkennend geklatscht und wir waren alle froh, ab und zu Verschnaufpausen zu erhalten. In dieser Zeit verzog sich der dichte Nebel und der Himmel klärte sich, war somit bereit für die nächsten unglaublich schönen, poetischen, gigantischen Bilder, die alle Erwartungen übertrafen.

 

Venice, Redentore Feuerwerk

 

Venezia, Redentore Feuerwerk

 

Eines meiner Lieblingsteile dieses grandiosen Feuerspektakels waren die durcheinandereilenden, quirligen Feuerchen in allen Farben zur Musik des Cirque du Soleil:

 

Venise, Redentore Feuerwerk

 

Allegria

Come un lampo di vita

Allegria

Come un pazzo gridar

Allegria

Del delittuoso grido

Bella ruggente pena, seren

Come la rabbia di amar

Allegria

Come un assalto di gioia

 

Venice, Redentore Feuerwerk

 

Allegria

I see a spark of life shining

Allegria

I hear a young minstrel sing

Allegria

Beautiful roaring scream

Of joy and sorrow, so extreme

There is a love in me raging

Allegria

A joyous, magical feeling

 

Venedig, Redentore Feuerwerk

 

Um dieses Feuerwerk zu beschreiben fehlen mir die Worte. Malen könnte ich es auch nicht, fehlt mir doch das Können von Joseph Mallord William Turner, der sich auch in Venedig aufhielt. Die verschiedenen Höhepunkte des Feuerwerks erinnerten mich jedenfalls an das Bild "Der Brand des Parlamentsgebäudes, 16. Oktober 1834", genauso taghell wurde es mitten in der Nacht. Das Wasser schien dann auch eine Leinwand zu sein, so wie der Himmel darüber. Manchmal brannte ganz Venedig lichterloh!

 

Venise, Redentore Feuerwerk

 

Und dann, nach etwas mehr als einer halben Stunde, drei aufeinanderfolgende Leuchtraketen *Bumm! Bumm! Bumm!" Und das war das eine Ende des Feuerwerks, das wiederum mit Klatschen, Johlen und Singen verdankt wurde, auch mit Aufheulen der Schiffssirenen und Hupen aller Boote.

 

Venedig, auf zum Lido!

Auf zum Lido!

 

Nachdem sich die Spannung einigermassen entladen hatte, beobachteten wir, wie gegen ein Uhr Morgens die Schiffe geordnet und ohne Hast eins ums andere in Richtung Canal Grande, auf der anderen Seite in Richtung Lido, verschwanden. Seit dem 21. Juli 1578 (dem Ende der Pestepidemie) ist es Tradition, dass man sich nach dem Feuerwerk nicht wie wir todmüde ins Bett legt, sondern am Lido weiter feiert und den Sonnenaufgang begrüsst. O sole mio!

Und bis es so weit ist, könnt ihr das Feuerwerk stückchenweise auf Michaels Videos geniessen, wenn ihr Lust darauf habt. Ein kleiner Hinweis noch, damit ihr die Grösse des Feuerspektakels einschätzen könnt: Den Saum der Lagune bildet eine Lampion-Lichter-Kette. Der kleine helle Fleck links vom Feuerwerk, das ist die Zitelle-Kirche, rechts vom Feuerwerk die Redentorekirche. Los gehts:

 

Please note: Depending on the internet connection the download of the media files can last a few minutes.

Anmerkung: Der Download dieser Windows Media Dateien dauert je nach Verbindung mehrere Minuten.

 

Vor dem Feuerwerk / 18h 00
Vor dem Feuerwerk / 20h 00
Vor dem Feuerwerk / 23h 00

Feuerwerk Teil 1 / 23h 30
Feuerwerk Teil 2 / 23h 32
Feuerwerk Teil 3 / 23h 35
Feuerwerk Teil 4 / 23h 39
Feuerwerk Teil 5 / 23h 42
Feuerwerk Teil 6 / 23h 46
Feuerwerk Teil 7 / 23h 50
Feuerwerk Teil 8 / 23h 52
Feuerwerk Teil 9 / 23h 56
Feuerwerk Teil 10 / 0h 00

Nach dem Feuerwerk / 0h 15

 

15. Juli

Die Sonne erwärmte schon fleissig die Touristengruppen mit ihren Führern auf der Riva degli Schiavoni, als wir blinzelnd die Nase wieder über den Balkonrand streckten. "Uff! Heute wird's noch heisser!" konstatierte Michael. "Suchen wir den Schatten! Erste Ziele: Die Pontonbrücke und die Redentorekirche!"

Zuerst stärkten wir uns aber am besten, reichhaltigsten Frühstücksbuffet, das wir in Venedig je hatten, beobachtet von frechen Spatzen, die Übung hatten im Brosamensuchen.

Zu Fuss erreichten wir treppauf, treppab, durch verwinkelte schattige Gassen die Holz-Brücke "Ponte dell'Accademia", über dem Canal Grande, durchquerten einen weiteren langgezogenen Teil von Venedig, gelangten zu der Uferpromenade des Giudeccca-Kanals Zattere allo Spirito Santo. Hier befand sich die Pontonbrücke, die für zwei Tage die Venezianer mit den Bewohnern der Giudecca-Insel verband. Am Anfang der Brücke lockte mich eine Tafel mit folgender Anschrift in diversen Sprachen:

"Der Fussgängerdurchgang ist von 19.00 Uhr am Sonnabend den 14. Juli bis um 23 Uhr am Sonntag, den 15. Juli mit Ausnahme der dazwischenliegenden Zeit von 23 Uhr am Sonnabend den 14. Juli bis um 0.30 Uhr am Sonntag, den 15. Juli 2007, in der das Feuerwerk stattfindet, erlaubt. Die obengenannten Zeiten können aufgrund dienstlicher Bedürfnisse der Polizei verändert (vorverlegt oder verzögert) werden.

Es ist verboten, sich auf der Brücke aufzuhalten."

 

Venise, Venedig, Venice, Venezia

Verboten

 

Trotz Verbot (war ja nicht so gemeint) überquerten wir die Brücke, im Blickfeld stets die tempelartige Fassade der Redentore-Kirche. Der schwankende Steg war in der Mitte erhöht, so dass niedrigere Boote (auch Vaporetti) unten durchmanövrieren konnten.

 

Venedig, Pontonbrücke zur Chiesa Il Redentore

Pontonbrücke zur Chiesa Il Redentore

 

Die Kirche entstand im 16. Jh., um das Ende einer verheerenden Pestepidemie zu feiern, die nicht nur in Venedig, sondern auch in ganz Europa gewütet hatte. Venedig allein beklagte damals 50.000 Opfer. Der Doge Alvise Mocenigo versprach dem Erlöser (Redentore) eine Kirche zu bauen, wenn er der Stadt Hilfe brachte. Das Versprechen wurde von seinem Nachfolger Sebastiano Venier eingelöst. Ein Architektenwettbewerb wurde ausgeschrieben, der berühmte Andrea Palladio konnte ihn gewinnen. Renaissance und Elemente der antiken römischen Tempel vereinte Palladio zu einem Ganzen. Vorherrschend sind in der Fassade diverse, ineinandergreifende Dreiecksformen, die bis hinauf zu den Turmspitzen weitergeführt werden. Eigentlich sieht man drei ineinander verschachtelte Tempelfassaden. Die erste umrahmt den Eingang mit zwei Säulen und eine kleine Dreiecksbekrönung. Die zweite umschliesst die eigentliche Fassade mit einem grossen Dreieck auf vier Säulen. Die dritte Dreiecksform befindet sich hoch oben, das Auge verbindet die Spitzen der Türmchen über der gewaltigen Kuppel zu einem in den Himmel gezeichneten Dreieck.

 

Venedig, Redentorekirche

Redentorekirche

 

Im Inneren der Kirche hielten wir uns nur kurz auf, da gerade eine Messe gelesen wurde und der Pfarrer eine blumige gestenreiche Predigt hielt. Hatte er wohl eine Antwort auf die unverständliche Erklärung des Papstes, die er kurz vor seiner Abreise in die Ferien noch unterschrieb? Meinen Ärger hatte ich vor lauter Vorfreude auf die Venedigreise verdrängt. Beim Anblick des Pfarrers kam er mir wieder hoch.

"Ein falsches Signal

Stellungnahme der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa

Mit Befremden, aber ohne Beunruhigung nimmt die Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa GEKE ein durch die vatikanische Kongregation für die Glaubenslehre veröffentlichtes Dokument zur Kenntnis. Die durch Papst Benedikt XVI. gutgeheissenen "Antworten auf Fragen zu einigen Aspekten bezüglich der Lehre über die Kirche" stellen in fünf Abschnitten das Selbstverständnis der römisch-katholischen als einzig wahre Kirche dar und sprechen den Kirchen der Reformation ihr Kirchesein ab. Sowohl die Argumentation als auch die Kürze des Dokuments der Glaubenskongregation sorgten für Irritation.

...

Neben den theologischen Problemen gehe es noch um eine andere Frage, resümierte Thomas Wipf. "Von einem solchen Papier geht ein falsches Signal aus. Die Herausforderungen dieser Welt schreien förmlich danach, dass die Kirchen zusammenarbeiten. Gemeinschaft ist kein hehres Ziel, sondern unsere Aufgabe. Klarheit in der Lehre ist eminent wichtig, aber Gemeinschaft in Zeugnis und Dienst ist das, was die Welt von uns erwartet."

 

Venise, Venedig, Venice, Venezia

 

Zurück zum Redentorefest! Die Kinder waren mehr an Luftballons interessiert, die den tiefblauen Himmel bunter färbten. Denen schien die Hitze nichts anzuhaben. Wir hatten das Gefühl, bald schmelzen zu müssen.

 

Venedig, Redentorekirche

Redentorekirche

 

So suchten wir denn wieder die engsten Gässlein aus, erfreuten uns bei San Vidal an der Statue der Madonna unter dem schützenden Sonnenschirm, wollte schreiben Baldachin. Vor allem hatte es uns das Jesuskind angetan. Selten findet man ein so keck und übermütig drein blickendes.

 

Venedig, Madonna im Schatten

Michaels Madonna im Schatten

 

Venise, Venedig, Venice, Venezia

Venezia

 

Venise, Venedig, Venice, Venezia

Venezia

 

Venise, Venedig, Venice, Venezia

Venezia

 

Den Nachmittag verbrachten wir im Schutz der Klimaanlage im Hotelzimmer. Schliesslich wollten wir auch die Bilder einsehen und unsere Speicherkarten von den schlechten Aufnahmen befreien. Wir brauchten Platz für Neues.

 

Venedig, Möwen

Möwen fliegen am Balkon vorbei

 

Am Abend verliessen wir unser Hotel wieder, unter dem Arm Stativ und angehängt die Kamera. Nachtaufnahmen sollten her, stimmungsvolle, sommerliche Nachtaufnahmen. Irgendwie war aber bei mir der Wurm drin. Der Mangel an Erfahrung und Übung, auch Müdigkeit, machten sich bemerkbar. Es wollte mir fast nichts gelingen. Ich brauchte unendlich lange für jede Aufnahme, hatte einfach den Kopf zu voll von all den Eindrücken der vergangenen Tage und Nächte. Die Stille der Nacht nach dem Fest beeindruckte mich. Die spielenden Lichtreflexe auf dem ruhigen Wasser, das Glucksen am Ufer, das leichte Auf und Ab der Wellen, das Ein- und Ausatmen der Lagune, die schwankenden Maste der Segelschiffe, die vor der Kirche San Giorgio Maggiore im Hafen die Nacht verbrachten, all diese Eindrücke wollten eingefangen werden, genossen und erlebt werden. Was sollte ich mich dann noch mit technischen Details abgeben und abmühen! Michael war in Hochform, das genügte mir. Er genoss es sichtlich, er badete im Fotografenhoch und es gelangen ihm wunderbare Aufnahmen.

 

Venezia, Michele il fotografo

Michele il fotografo

 

Venice, Chiesa La Salute

Chiesa della Salute

 

Venedig, Luxusschiff im Hafen

Luxusschiff im Hafen

 

Venedig, Segelschiffhafen bei San Giorgio Maggiore

Segelschiffhafen bei San Giorgio Maggiore

 

Eine nächtliche Vaporettofahrt lag auch noch drin. Im Freien sitzen, die Paläste an sich vorbeiziehen lassen, das Schaukeln, Rütteln und die Fahrbewegung zu fühlen, die Geräusche in sich aufnehmen, einfach träumen und sich treiben lassen auf dem Strom der Zeit... das ist mehr als eine Fahrt, das ist eine andere Lebensform.

 

Venedig, Rialtobrücke

Rialtobrücke

 

Die weltberühmte Rialtobrücke war wie immer schön angestrahlt, immer noch voll mit Menschen, auch wenn die Tagestouristen schon weg waren.

 

Venedig, Dogenpalast

Dogenpalast

 

Als krönenden Abschluss wählten wir aber die Piazzetta, den Campanile, die Piazza San Marco!

 

Venise, Venedig, Venice, Venezia San Marco

Venezia: San Marco

 

Von diesem Platz geht eine solche Kraft aus, die sich nicht beschreiben lässt. Die Dimensionen aller Bauten sind überwältigend. Und wenn man den Platz so menschen- und taubenleer erleben kann ist es Luxus pur. Die Unterteilungen auf dem Boden wirken wie pures Gold.

 

Venise, Venedig, Venice, Venezia San Marco

Venezia: San Marco

 

Dumont Reiseführer:

..."Gleich über dem Bogen der Passage befindet sich die blau emaillierte und vergoldete Uhr, die Stunden sowie die Sonnen-, Mond- und Sternenphasen anzeigt. So konnte jeder, der in See stechen wollte, an ihr die Gezeiten ablesen. Die Uhr wurde von Paolo und Carlo Rainieri zur selben Zeit wie der Turm geschaffen. Über ihr öffnen sich zu beiden Seiten einer Nische mit einer Madonna zwei kleine Türen, aus denen in der Himmelfahrtswoche zur jeden vollen Stunde die Figuren der Heiligen Drei Könige erscheinen. In der oberen Ebene steht ein Markuslöwe vor blauem, gestirntem Hintergrund ... Die Uhrmacher Paolo und Varlo Rainieri, die den Mechanismus erfunden haben, der die Uhr und die Automaten betreibt, wurden von der Republik grosszügig entlohnt. Es gibt jedoch Berichte, wonach man ihnen später die Augen ausstechen liess, damit sie nicht an einem anderen Ort noch ein solches Wunderwerk schaffen konnten."

Was für ein grausamer Lohn!

 

Venedig, Uhrenturm

Uhrenturm

 

Meine Versuche, etwas von der Stimmung und von der Grandiosität des Platzes einzufangen, fielen recht kümmerlich aus. Ich war enttäuscht und vor allem todmüde. So setzte ich mich auf die Treppen der Markuskirche und wollte mich nicht mehr bewegen, nichts mehr denken, nur noch fühlen, riechen, hören.

 

Venezia, buona notte

Venezia: Buona notte!

 

"Buona notte!" sagte da plötzlich eine freundliche Frauenstimme in der Nähe. Ich machte die Augen erstaunt auf und sah eine junge Frau, die ebenso wie ich auf der Treppe sass. Wir kamen ins Gespräch. Beide schwärmten wir von der Stadt, auf Englisch mit italienischen Brocken. Es stellte sich heraus, dass die junge Frau eine seit einem halben Jahr in Venedig lebende Spanierin war. Wir stellten fest, dass ein ganzes Leben nicht ausreichen würde, um die Geschichte und die Geschichten dieser faszinierenden Stadt erfassen zu können. Dass ich nicht allein war hatte sie schon beobachtet, wollte aber wissen, ob wir Kinder hätten. Und plötzlich sagte sie: "Ich meine, sie sind vertrauenswürdig. So stelle ich ihnen eine wichtige Frage. Ich kenne einen Mann, der arbeitet jetzt gerade noch in einem Restaurant auf dem Platz. Finden sie es richtig, dass ich hier sitze und noch länger auf ihn warte?" Mittlerweile hatte die Glocke des wunderschönen Uhrenturms eine Stunde nach Mitternacht geschlagen! Nie hätte ich erwartet, auf eine so persönliche, schwierige Frage um diese Zeit an diesem Ort eine Antwort geben zu müssen. Ich wollte und durfte auch nicht Schicksal spielen. Eigentlich hätte ich antworten sollen: "Wenn der Mann der Richtige ist, würden sie mich nicht fragen, sie würden einfach handeln!" Da ich aber weder sie noch ihn kannte, konnte ich ihr nicht den direkten Rat geben und wir redeten eine kurze Weile im Kreis herum, und schon kam Michael von der Fotojagd zurück. Sie schüttelte uns zum Abschied die Hand, wir gaben uns ein freundliches Wort auf den Weg und jeder musste sein weiteres Schicksal ohne fremde Hilfe in Angriff nehmen. Ob sie heute noch auf der Treppe sitzt und wartet?

16. Juli

Das letzte ausgiebige und stärkende Frühstück inklusive frischen Kiwis und Ananas zum Abschluss, dann Koffer packen, den letzten Blick aus dem Balkon auf die immer noch wunderschöne Aussicht (man kann sich einfach nicht daran gewöhnen).

Der erste Halt war wieder die Insel San Giorgio. Während ich die Koffer bewachte, unternahm Michael eine Fahrt per Lift zur oberen Plattform des Campanile. Ich wartete in der kühlen Kirche, freute mich schon auf die Panoramabilder, die wir dann zuhause betrachten könnten. Ein besseres Wetter hätte Michael sich nicht wünschen können, nur einen besseren Zeitpunkt um auf den Turm zu gelangen. Die Glocken liessen gerade ihr Mittagsdröhnen erschallen! Michael hats überlebt, Gott sei Dank! Aber nur, weil er sich kräftig die Ohren zu hielt. Und so sah die Aussicht von oben aus:

 

Venezia, Panorama, Riva degli Schiavoni

Panorama Riva degli Schiavoni

 

Venezia, Hafen San Giorgio Maggiore

Hafen San Giorgio Maggiore

 

Venezia, Lagune südwärts, Hotel Cipriani mit Gartenbad

Lagune südwärts,Hotel Cipriani mit Gartenbad

 

Venezia, San Clemente

San Clemente

 

Venezia, San Giorgio Maggiore und Klostergarten, Canale della Giudecca

Venezia, San Giorgio Maggiore und Klostergarten, Canale della Giudecca

 

Venezia, Giudecca, Chiesa Le Citelle (vorne), Chiesa Il Redentore (hinten)

Giudecca, Chiesa Le Citelle (vorne), Chiesa Il Redentore (hinten)

 

Venedig, Canale della Giudecca, angefangene Pontonbrücke, Mulino Stucki, Festland Mestre

Canale della Giudecca, angefangene Pontonbrücke, Mulino Stucki, Festland Mestre

 

Venezia, Chiesa e Ospedale S.S. Giovanni e Paolo (Zanipolo), Riva degli Schiavoni, Hotel Savoia & Jolanda, Hotel Londra Palace

Chiesa e Ospedale S.S. Giovanni e Paolo (Zanipolo), vorne Riva degli Schiavoni, Hotel Savoia & Jolanda, Hotel Londra Palace

 

Im Internet fand ich bei Wikipedia folgenden Eintrag über die Geschichte der Kirche:

"Die Kirche gehört zu einem ausgedehnten Gebäudekomplex eines Benediktinerklosters, dessen Ursprünge bis in das Jahr 982 zurückreichen. Das Kloster entwickelte sich in der Folge zu einem der bedeutendsten Klöster des Ordens in Italien. Im Jahre 1109 gelangten Reliquien des Heiligen Stephanus aus Konstantinopel in das Kloster, wodurch es neben dem Grab des Apostels Markus zu einem der wichtigen Pilgerziele in der Lagunenstadt wurde. Neben dem Hl. Georg ist der Hl. Stephanus Patron der Kirche. Das Fest des Heiligen am 26. Dezember ist wesentlicher Bestandteil der venezianischen Feierlichkeiten an Weihnachten."

 

Venezia, San Giorgio Maggiore

San Giorgio Maggiore

 

Zwei Dogen wurden hier bestattet, Tribunus Memmo (gest. 991), der den Mönchen die Insel geschenkt hat und Sebastiano Ziani (gest. 1178), der das Kloster besonders schätzte und der dort verstorben ist.

1565 erhielt Andrea Palladio, der bereits ein Klostergebäude für die Benediktiner errichtet hatte, den Auftrag zum Neubau der baufällig gewordenen Kirche. Erst 1610 war der Bau auch innen vollständig ausgestattet, so dass die Kirche eingeweiht werden konnte.

 

Venezia, San Giorgio Maggiore

Venezia, San Giorgio Maggiore

 

In San Giorgio Maggiore wurde Pius VII. zum Papst gewählt, da man wegen des Feldzugs Napoleons in Italien und der Besetzung Roms durch französische Truppen das Konklave nach Venedig verlegt hatte. Während der Besetzung Venedigs durch die Franzosen wurde auch San Giorgio ausgeplündert und die Jahrhunderte alte Bibliothek aufgelöst. Seit dieser Zeit verfielen die Klosterbauten, bis sie Mitte des 20. Jahrhunderts auf Initiative der Familie Cini restauriert und einer neuen Nutzung als Kulturzentrum zugeführt wurden. In dem nicht öffentlichen Park befindet sich ein Freilufttheater, das Teatro verde."

Während ich auf Michael wartete, beobachtete ich einen in der Kirche geschäftig herumirrenden Pater. In der Hand hielt er einen Rosenkranz. Ohne ihn mit den Augen zu verfolgen, wusste ich genau, wo er sich aufhielt, denn die immer wiederkehrenden "Sanctus!" hallten unermüdlich von allen Seiten. Einmal kam er auf mich zu, blickte bohrend durch mich hindurch ohne meinen Gruss zu erwidern. Er schien total entrückt, funktionierte wie ein Automat, der jahrzehntelange Handlungen ausführt und gar nicht mehr anders kann. Federico Fellini hätte seine Freude an ihm gehabt und hätte ihm noch so gerne eine kleine Rolle im Film Amarcord angeboten.

Schichtwechsel. Michael kam hocherfreut vom Turm runter. Es hatte sich gelohnt. Nun war es an mir, noch letzte Eindrücke zu suchen und die Insel San Giorgio fotografisch abzuweiden.

 

Venedig, Segelschiffhafen bei San Giorgio

Segelschiffhafen bei San Giorgio

 

Venezia, Vigili del fuoco

Die Feuerwehr

 

Venedig, bei San Giorgio

Bei San Giorgio

 

Venise, Venedig, Venice, Venezia

Mittagspause

 

Venice, San Giorgio Maggiore

San Giorgio Maggiore

 

Gleich bei meiner Rückkehr in die Kirche schoss ein junger Pater auf uns zu und mit einem knappen: "Chiuso!" gab er uns zu verstehen, dass wir zu gehen hätten. Michael fragte: "Quando?" "Due secondi!" war die Antwort. Dann eilte er zu anderen Touristen. Als wir nach zwei Sekunden noch nicht durch den Gang galoppierten, wie er sich das vorstellte, klatschte er energisch in die Hände, dass es von allen Seiten widerhallte. Mamma mia, sind wir denn lästige Tauben oder Hühner? So wurden wir noch nie aus einer Kirche verscheucht!

 

Venise, Venedig, Venice, Venezia

Durchblick

 

Dieselben Segelschiffe schaukelten auf demselben Wasser wie in der Nacht zuvor, und doch sah alles ganz anders aus. Was für eine Hitze! Wir suchten uns ein kleines Schattenplätzchen und eine steinerne Sitzgelegenheit. Vier Leute genossen ihr Mittagessen auf dem leise schaukelnden Segelschiff, einige Möwen kreischten ab und zu, ein Feuerwehrboot rauschte vorbei, neugierige und etwas ängstliche Spatzen suchten nach Brosamen in unserer Nähe, Zikaden lärmten auf den Bäumen des für Publikum geschlossenen Klostergartens, eine Katze döste im Schatten des Kreuzgangs, die Takelage der Segelboote quiekte und klirrte so vor sich hin, die Luft flimmerte.

 

Venedig, Licht und Wasser

Licht und Wasser

 

Die letzte Vaporettofahrt des Tages. Die letzten Eindrücke des mittagsschlafenden Venedigs in der Hitze. Der letzte Blick auf wartende Ozeanriesen im Hafenbecken.

 

Venise, Venedig, Venice, Venezia

Venezia

 

Die letzte venezianische Taube beim Bahnhof.

 

Venedig, Taube

Wann kommt ihr wieder?

 

Im Zug vertrieben wir uns die Zeit mit Kartenspielen und Dösen.

Venezia S.Lucia Abfahrt 16.30 Uhr

Milano Abfahrt 19.20 Uhr

Flüelen Ankunft: 22.28 Uhr

So hiessen die für uns wichtigen Stationen.

Stürmisch begrüsst wurden wir in Flüelen vom ältesten Urner, vom Föhn! Wir staunten nicht schlecht über die aussergewöhnliche Temperatur von 30° um 11 Uhr nachts. Kein Wunder war unser Garten recht ausgetrocknet! Sofort starteten wir eine allgemeine Bewässerungsaktion, bevor wir wirklich zur Ruhe kamen.

A la prossima!

 

Evelyne Scherer

 

 

PS und Warnung: Ist der Gärtner aus dem Haus, tanzen die Pflanzen! Die Giesskanne wurde vom fleissigen Kletterpflänzchen Teufelszwirn ganz in Besitz genommen. So eine Frechheit!

 

Teufelszwirn

Teufelszwirn

 

 

Fotos: Evelyne und Michael Scherer

Videos: Michael Scherer

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